Gartenliebhaber

Ein Beitrag zu Spittelers Süden-Sehnsucht – Spittelers Garten
In seinem Haus hat Spitteler nichts gemacht, in seinem Garten hingegen alles.
Der grosse schmale Garten an der Gesegnetmattstrasse 12 erstreckt sich vom Haus bis an die Haldenstrasse, unmittelbar neben der Pension Beau-Séjour.
Spitteler hat über seinen Garten einige Aufsätze und Feuilleton-Beiträge geschrieben. Ein Beispiel ist das Feuilleton: «Die Südpflanzen des Herrn Meyer» (Montag, 21. März, bis Donnerstag, 24. März 1898, Neuen Zürcher Zeitung). Der Text ist mit C.S. für Carl Spitteler gezeichnet und beginnt nach dem ersten Kapiteltitel «Herr Meyer will die Natur zwingen», wie folgt: «In Luzern an der Halde, in meiner nächsten Nähe, lebt ein sonderbarer Kauz, der sich eines Tages plötzlich in den Kopf setzte, in Südeuropa zu wohnen. Wohlverstanden, nicht etwa nach Südeuropa umzuziehen, sondern Südeuropa zu zwingen, zu ihm über den Gotthard zu kommen. ‹Die Natur muß›, sagte er. Da er immerhin den Sonnenstand nicht zu ändern vermochte, mußte er sich wohl mit der Illusion des Südens begnügen. Einen italienischen Garten also wollte er haben, um den Titlis durch Lorbeer und Cypressen betrachten zu können; auf diese Weise, meinte er, würde er die Schönheiten des Comersees und des Vierwaldstättersees vereinigt genießen.»
Spitteler schreibt nun über die Gartenbemühungen des Herrn Meyer, er führt gewissermassen ein Interview mit ihm und dokumentiert das Gespräch. Er macht das mit einem feinen ironischen Ton. Nun ist hier zu beachten, dass Herr Meyer eigentlich Spitteler selbst ist. Er ist dieser Herr Meyer, er ist also selbstironisch und ehrlich – und er ist damit auch ein «sonderbarer Kauz». Warum er den Namen «Meyer» wählt, ist nicht verbürgt.
Spitteler will diesen südlichen Garten in Luzern nach seinen Ideen, der den strengen Innerschweizer Wintern trotzen kann. Er will dem Vierwaldstättersee italienisch beibringen. Er will einen Garten für seinen «Olympischen Frühling», ein kleines Paradies.
Und Spitteler arbeitet beharrlich daran.
Seine Lieblingsgewächse sind Kamelien, Lorbeer, Zedern, Zypressen, Thuja, Rhododendren, Hortensien, Azaleen, Zitronen- und Orangenbäume. Die Pflanzen bezieht er von einer Gärtnerei am Lago Maggiore. Er macht Versuche, einige scheitern an den strengen Luzerner Wintermonaten. Ohne Unterlass bleibt er dran. Er holt sich hie und da beim Gärtnern einen Hexenschuss. Die Familie teilt seine Freude an den Erfolgen – und wohl auch seine Leiden. Besucherinnen und Besucher führt er gerne durch seinen Garten. (Die Töchter berichten darüber.)
Und Spitteler schreibt – wie erwähnt – Aufsätze und Feuilletons über seine Gärtnerei, sein wie er selber sagt, «Steckenpferd». Darin werden gartenästhetische und botanische Aspekte behandelt sowie seine Versuche dokumentiert. Diese sind derart anregend und lesenswert, dass der Direktor des Botanischen Museums der ETH Zürich (Professor Schröter) mit Spitteler zu korrespondieren beginnt und Spittelers botanische Arbeiten in seinen Vorlesungen verwendet.
Spitteler, der Augenmensch, ist also auch ein ernsthafter Naturforscher.