ungewöhnlicher Dichter und Schriftsteller

Bevor sich Carl Spitteler (geboren am 24. April 1845 in Liestal, gestorben am 29. Dezember 1924 in Luzern) 1892 endgültig in Luzern niederliess, war er ein ziemlich erfolgloser Dichter und Schriftsteller gewesen, dessen einziges grösseres Werk, das in rhythmisierter Prosa geschriebene Epos «Prometheus und Epimetheus» praktisch kein Echo ausgelöst hatte. Spitteler fristete als Lehrer und Journalist – zuletzt als Feuilletonredaktor der Neuen Zürcher Zeitung – sein Leben, wovon acht Jahr als Hauslehrer in Russland und Finnland.

Durch die Heirat mit der Holländerin Marie Op den Hooff, einer früheren Schülerin, die einer begüterten Familie entstammte, wurde Spitteler materiell mehr oder minder unabhängig und konnte dem Leben eines freien Dichters und Schriftstellers frönen.

Das geistige Klima Luzerns um die Jahrhundertwende behagte dem Dichter und Schriftsteller offensichtlich, und er brachte nun eine reiche literarische Ernte ein, mit der er sich sowohl gegen die klassisch-romantische Tradition als auch gegen die aktuellen Strömungen und Moden der Zeit abgrenzte. Trotzdem blieb er mit den grossen geistigen Bewegungen der Jahrhundertwende verbunden, nicht nur in dem psychoanalytischen Roman «Imago», in dem eine Geschichte ganz aus der Ich-Perspektive des Erzählers aufgerollt wird. Der Roman weckte das Interesse Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs, die hier wissenschaftliche Erkenntnisse dichterisch bestätigt oder vorweggenommen fanden. Zugleich ist der Roman eine Satire auf die damalige bürgerliche Gesellschaft in der Enge schweizerischer Kleinstädte.
Auch sein Hauptwerk «Olympischer Frühling», dieses Weltgedicht nach dem Muster der grossen Renaissance-Epen in rund 20’000 Versen, ist nur äusserlich ein rein ästhetisches, sich selbst genügendes Kunstwerk, mit gewissen Anlehnungen an den Jugendstil. Im Innern ist es eine verschlüsselte Darstellung der pessimistischen Weltsicht des Dichters, die durchaus die Gegenwart meint – allerdings erzählt in einer fantasievoll-eigenwilligen, bilderreichen Sprache, die das Werk wie ein «Riesenspielzeug», ein mythologisches Märchen, erscheinen lässt. Ein kurzer olympischer Frühling bringt Licht und Freude in eine von zweifelhaften Göttern regierte und von Gewalt und List beherrschte Welt.
Spitteler erhielt 1919 u.a. für dieses Werk den Literaturnobelpreis.
Viereinhalb Monate nach Ausbruch des 1. Weltkriegs wendete sich Spitteler im Dezember 1914 in seiner Rede «Unser Schweizer Standpunkt» dem Zustand der Schweizer Gesellschaft zu und versuchte, die Schweizer Neutralität nicht nur aussenpolitisch, sondern auch innenpolitisch zu begründen und eine Brücke zwischen der welschen und der deutschen Schweiz zu bauen.
Carl Spittelers starb 1924 in seinem Haus in Luzern. Seine Asche ruht in einem Ehrengrab im Friedental in Luzern.